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Gomadingen (Gedenkstätte Grafeneck), Landkreis Reutlingen, Baden-Württemberg

PLZ 72532

Gedenkstätte Grafeneck e. V., Grafeneck 3. Im Außengelände umfasst der künstlerisch gestaltete Gedenkbereich eine offene Kapelle, einen sogenannten Alphabetgarten und ein Gedenkbuch mit den Namen von in der Tötungsanstalt ermordeten Menschen. Auf der im Foto festgehaltenen Seite des Gedenkbuchs findet sich neben vielen anderen auch der Name des aus Schanbach gebürtigen Euthanasieopfers Wilhelm Hailer.

Name des Opfers

Name

Vorname

Geburtsdatum & Ort

Todesdatum & Ort

Bemerkungen

HAILER

Friedrich Wilhelm

29.12.1893 Schanbach

19.06.1940 Landespflegeanstalt Grafeneck

Schwerbeschädigter Weltkriegsteilnehmer

Anmerkungen:
Wilhelm Friedrich Hailer kam am 29. Dezember 1893 in Schanbach als erstes Kind des Wagners Wilhelm
Friedrich Hailer und dessen Ehefrau Eva Dorothea, geborene Beck, beide aus Schanbach gebürtig und
evangelisch, zur Welt und wurde am 7. Januar 1894 getauft. Das Paar bekam sieben Kinder, vier Knaben
und drei Mädchen. Der Vater (auch Wilhelm Friedrich mit Vornamen) starb bereits am 7. Juli 1913, die
Mutter am 13. März 1941, jeweils in Schanbach.
In den Unterlagen wird W. F. Hailer als Taglöhner und schwerbeschädigter Weltkriegsteilnehmer
benannt, der vielleicht infolge einer wahrscheinlichen Verschüttung im Weltkrieg geisteskrank wurde.
„Verschüttet zu werden, bedeutet für die Soldaten ein Trauma erster Güte. Auch wenn die daraus
resultierende Nervenkrankheit - sie wird im Jargon der Zeit ,Zellgewebsentzündung‘ genannt - im
Lazarett scheinbar geheilt wird, kann sie Jahre später wieder ausbrechen und zu nicht mehr reversiblen
Behinderungen führen.“ (Dominik Gügel, Wir waren auch dabei. Das Konstanzer Infanterie Regiment
Nr. 114 und seine Soldaten aus dem Bodenseeraum im Ersten Weltkrieg, Konstanz (Labhard Medien)
2018, S. 113).

Nach einem Aufenthalt im Bürgerhospital in Stuttgart wurde der ledig Gebliebene als geisteskrank/
gestört (und epileptisch) am 1. April 1921 erstmals in der Heilanstalt Winnental (Winnenden)
untergebracht. Als mögliche Ursache seiner Erkrankung (Dem. praecox. Katat., Dem. paranoides) steht
auf einem der Patientenblätter das Wort „Krieg?“.
Aus der Heilanstalt Winnental entließ man W. F. Hailer zwar nach eineinhalb Jahren zum 6. Oktober
1922 als „gebessert“, ein zweites Mal aber war er seit dem 6. November 1925 „auf Ansuchen d.
Angehörigen usw.“
(unterstrichene Angabe auf dem Patientenblatt) in dieser Anstalt, in der er dann bis
zum Tag seines Abtransports nach Grafeneck auf der Schwäbischen Alb verbleiben sollte. Die ärztliche
Diagnose lautete: Schwere Schizophrenie. Sein gesetzlicher Vertreter und „Kostenträger des
Anstaltsaufenthalts“ war ein Johannes Roos in Schanbach. Regelmäßigen Besuch bekam der Kranke
offenbar nicht.
W. F. Hailers Äußeres wurde wie folgt angegeben: Er war 1, 67 Meter groß und wog 58 Kilogramm. Er
hatte blaugraue Augen, dunkelblonde Haare und eine „gesunde“ Gesichtsfarbe. Auf einem späteren
Patientenblatt gab man die Körpergröße mit 1,57 Meter an. Das Gewicht wurde ab 1933 monatlich in der
Regel zweimal festgehalten, es betrug zwischen 61 und 54,5 Kilogramm. Die letzte Messung vom 16. Mai
1940 lautete 56,5 Kilogramm.
Am 10. Juni 1940 überwies man ihn in die Landespflegeanstalt Grafeneck, dort starb er am 19. Juni
1940, die Leiche wurde aufgrund angeblicher seuchenpolizeilicher Anordnung verbrannt. Die Urne mit
der Asche setzte man in Schanbach am 9. Juli 1940, abends 19 Uhr, bei, die Grabrede hielt ein K.
Mörike, Pfr. a. D.
Das zweite Kind des Ehepaars, Karl Gotthilf Hailer, geboren am 15. Mai 1895, fiel als Musketier in der 7.
Kompanie des Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 413 am 8. Oktober 1918 bei Serain, Cambrai
in Frankreich, also einen Monat vor Kriegsende. Der ledige Zuschläger (mit dem Vorschlaghammer mit
anderen Kollegen zusammenarbeitender) Schmied war Anfang 1918 Soldat geworden und hatte an den
Kämpfen an der Westfront teilgenommen. Der Verbleib der Leiche blieb unbekannt.
W. F. Hailer steht in dem Namensbuch der Gedenkstätte Grafeneck. Er wurde jedoch nicht erst am 10.
Juni 1940 nach Grafeneck gebracht und starb dort am 19. Juni, sondern kam bereits am 3. Juni 1940 in
die Tötungsanstalt und wurde noch am selben Tag ermordet.
Die Gedenkstätte Grafeneck teilte dem Verfasser des Beitrags bereits Bekanntes mit: Die Abweichung im
Todesdatum liegt daran, dass die Täter das Todesdatum und die -ursache immer fingierten, um die
wahren Hintergründe zu vertuschen. Zudem wurden die Opfer immer direkt nach ihrer Ankunft in
Grafeneck ermordet. Es handelte sich nämlich um eine reine Tötungsanstalt, in der im Jahr 1940 im
Rahmen der sogenannten Aktion „T4” über 10.600 Menschen mit geistigen Behinderungen oder
psychischen Erkrankungen ermordet wurden. Nach außen hin wurde Grafeneck als „Landes
Pflegeanstalt" getarnt, diese Bezeichnung findet sich auch in den „Trostbriefen" wieder, welche immer
von Grafeneck aus an die Angehörigen der Opfer geschickt wurden. Dies erledigte ein eigens dafür
eingerichtetes Standesamt, welches auch eine offizielle Todesurkunde erstellte, in der Todesursache und
-tag ebenfalls fingiert wurden. Die Angehörigen konnten nach Erhalt eines solchen „Trostbriefes" eine
Urne mit der Asche des Verstorbenen anfordern. Jedoch enthielten diese Urnen nie die Asche der
Verstorbenen. Die Asche wurde nach der Verbrennung der Opfer einfach weggeschüttet. Leere,
unbeschriftete Urnen wurden auf Vorrat befüllt und eingelagert. Wenn Angehörige dann eine Urne
anforderten, wurde eine beliebige beschriftet und den Anfragenden zugeschickt, welche in Erwartung,
dass es sich um die Asche des Angehörigen handelte, diese Urne dann beisetzen ließen.
Quellen: Evangelische Kirchenbücher, Schanbach, Familienbuch 1893, S. 54 (Wilhelm Friedrich Hailer)
und Sterberegister 1940, Nr. 7 (Wilhelm Friedrich Hailer); Staatsarchiv Ludwigsburg, Patientenblätter
Wilhelm Friedrich Hailer (F 235 III Bü 283); Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Kriegsstammrolle der 7.
Kompanie des Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 413 (M 469, Band 27, Nr. 725: Karl Gotthilf Hailer).
Ergänzungen in Rot: Patientenblätter (s. o.).

Datum der Abschrift: 06.10.2018

Verantwortlich für diesen Beitrag: Alfred Hottenträger
Foto © 2018 Alfred Hottenträger

 

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